Bundestagswahl 2025 und Meinungsfreiheit – Analyse der Wahlprogramme

B

Als ich mein Buch zum Thema Meinungsfreiheit schrieb, war nach der jährlich stattfindenden Umfrage des Allensbach-Instituts nur noch 40 Prozent der Bevölkerung der Ansicht, man könne in Deutschland seine politische Meinung frei äußern. Dieser Wert ist inzwischen um sieben Prozentpunkte auf 47 Prozent gestiegen. Das ist jedoch für eine freiheitliche Demokratie weiterhin ein katastrophaler Wert.

Am 23. Februar 2025 wird in Deutschland der Bundestag neu gewählt. Es stellt sich daher die Frage, ob die Parteien Handlungsbedarf sehen, sich konkret für die Meinungsfreiheit einzusetzen und welche politischen Forderungen sie gegebenenfalls daraus ableiten.

Ich habe die Wahlprogramme der Parteien für die Bundestagswahl in Bezug auf Fragen der Meinungsfreiheit analysiert. Hier ist das Ergebnis:

SPD: »Mehr für Dich. Besser für Deutschland«

Das Wort Meinungsfreiheit kommt in dem Programm der SPD für die Bundestagswahl nicht vor – weder auf der Internetseite zum Programm, noch im Regierungsprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2025.

Im Regierungsprogramm geht es jedoch inhaltlich an zahlreichen Stellen um die Meinungsfreiheit.

Unter der Überschrift „Wir wollen gegen Lügen, Hass und Hetze vorgehen.“ möchte die SPD Schutzlücken bei menschenverachtender Hetze schließen und den Volksverhetzungsparagraphen entsprechend überarbeiten. Was genau damit gemeint ist, bleibt offen.

Der Volksverhetzungsparagraph steht seit Jahren in der Kritik, da er zum Beispiel „jede Menge Raum für die Kriminalisierung des politischen Gegners“ lässt – so der bekannte deutsche Strafverteidiger Gerhard Strate – beziehungsweise eine „Gefahr für die kritische Diskussion“ darstellt – so Prof. Dr. Elisa Hoven, Professorin für deutsches und ausländisches Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Medienstrafrecht an der Universität Leipzig, in einem Artikel für die Welt. Die SPD spricht in diesem Zusammenhang davon, dass sie rechtsextreme Äußerungen von Amtsträgern sowie in Schulen besonders in den Blick nehmen möchte. Dabei stellen sich sofort mindestens zwei Fragen: Warum nicht auch linksextreme Äußerungen (es scheint also ausschließlich in Richtung des politischen Gegners zu gehen) und was soll das genau mit Volksverhetzung zu tun haben. Anscheinend soll dem Wähler das Gefühl vermittelt werden, dass rechtsextreme Äußerungen stets eine strafbare Volksverhetzung darstellen, was jedoch nicht korrekt ist.

Des Weiteren möchte die SPD die Zentralstelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt weiter ausbauen, um die Verfolgung von Online-Hasskriminalität effektiver zu gestalten, was gewiss nicht zu beanstanden ist. Gleichzeitig spricht die SPD in diesem Zusammenhang jedoch von „gezielten Desinformationskampagnen“, wobei Desinformation ein vollständig anderes Phänomen ist als Hasskriminalität. Anscheinend soll dem Wähler das Gefühl vermittelt werden, dass Lügen und Desinformation sowie Hass und Hetze dasselbe ist wie Hasskriminalität. Was die SPD unter Desinformation oder Fake News versteht, wird im Programm nicht erläutert.

Auch an anderen Stellen des Programms wird nicht hinreichend zwischen strafbarer Hasskriminalität, welche nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, und „Hass und Hetze“ unterschieden.

Und wenn es die SPD wirklich ernst meinen sollte, dass sie gegen Lügen, Fake News und Desinformation vorgehen möchte (wie es an mehreren Stellen des Programms zum Ausdruck kommt), dann verwundert es schon sehr, dass Karl Lauterbach („nebenwirkungsfreie Impfung“, „Das RKI hat unabhängig von politischer Weisung gearbeitet.“) immer noch SPD-Gesundheitsminister ist.

Im europäischen Zusammenhang (Stichwort: Digital Services Act) ist die SPD für verpflichtende Tools zum Faktencheck auf großen Plattformen. Die großen Online-Anbieter sollen gezwungen werden wirksame Vorkehrungen gegen Desinformation und Fake News zu treffen (Gibt es für die SPD einen Unterschied zwischen Desinformation und Fake News? Und wenn ja, welcher ist das?). Dass dies zu Einschränkungen der Meinungsfreiheit führen wird, habe ich in meinem Buch und auf dieser Internetseite dargelegt.

Fazit: Keine hinreichende Definition und Differenzierung von Fake News, Desinformation, Hasskriminalität sowie Hass und Hetze; mutmaßlich Ausweitung des Strafrechts zu Lasten der Meinungsfreiheit und stärkere Regulierung des freien Meinungsaustauschs in den sozialen Medien. Das Meinungsklima in Deutschland wird durch diese Maßnahmen nicht verbessert werden können – im Gegenteil.

Bündnis 90/Die Grünen: „Zusammen wachsen.“

Die Grünen sagen richtig in ihrem Entwurf zum Bundestagswahlprogramm „Meinungsfreiheit ist die Grundvoraussetzung einer freiheitlichen Demokratie.“ Gleichzeitig sprechen sie davon, dass mit dem Digital Services Act „wichtige Grundsteine für ein demokratisches Netz gelegt“ worden seien. „Die großen Medienplattformen werden wir in die Pflicht nehmen, wirksame Maßnahmen gegen die Verbreitung von Desinformation vorzunehmen.“ – so der Programmentwurf. Was die Grünen jedoch unter Desinformation verstehen, wird nicht gesagt. Gerade Politiker der Grünen scheinen oft einen weiten Begriff der Desinformation zu verwenden, der auch wahre Tatsachenbehauptungen umfassen kann, wenn sie den Grünen nicht passen (s. hier). Insofern ist es sehr kritisch zu beobachten, wenn Robert Habeck „keinen Hehl daraus“ macht, dass die nach seiner Ansicht momentane „unregulierte Form der sozialen Medien inzwischen nicht mehr akzeptabel ist“.

Ich halte Habeck für eine größere Gefahr für die Meinungsfreiheit (und damit für die Demokratie), weil er auf Einschüchterung kritischer Bürger und Regulierung des freien Diskurses setzt.


Prof. Dr. Josef Franz Lindner

Professor für Öffentliches Recht, Medizinrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Augsburg

„Der Schutz der Demokratie ist eine zentrale Aufgabe des Staates.“ heißt es im Programmentwurf der Grünen. Daraus leiten die Grünen ab, dass sie deshalb Programme wie „Demokratie leben!“ mit einem Demokratiefördergesetz absichern möchten.

In der Vergangenheit wurden immer wieder im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ Projekte gefördert, die auf die Diffamierung bestimmter Meinungen gerichtet waren. Eines der prominentesten Negativbeispiele ist das Projekt „Gegneranalyse“ der grünen „Denkfabrik“ Zentrum für liberale Moderne. Gründer sind die ehemaligen Spitzenpolitiker und Parteimitglieder von Bündnis 90/Die Grünen Marieluise Beck, bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages, von 2002 bis 2005 Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und ihr Ehemann Ralf Fücks, von 2001 bis 2017 Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und früherer Bürgermeister Bremens. Der Journalist Friedrich Küppersbusch hat dazu zwei YouTube-Videos mit dem Titel „Staatsknete für die richtige Meinung“ gemacht (s. hier und hier). Er bezeichnet dort eine Fallstudie im Rahmen der „Gegneranalyse“ als „Besinnungsaufsatz“ und fragt zutreffend: „Braucht ein privates Lobbyunternehmen mit maximaler Medienreichweite tatsächlich Steuergeld um politische Gegner niederzumachen?“

Solche demokratiefeindlichen Projekte, die schon mit dem Programm „Demokratie leben!“ gefördert wurden, würden mittels des Demokratiefördergesetzes eine bessere finanzielle sowie langfristige Unterstützung erhalten. Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Karl-Heinz Ladeur, ehemaliger Professor für Öffentliches Recht an den Universitäten Bremen und Hamburg, hält das Demokratiefördergesetz für schlicht verfassungswidrig, unter anderem, weil es staatliche Einseitigkeit im politischen Meinungskampf fördere.

Schließlich ist noch bemerkenswert, dass die Grünen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als „staatsfern“ betrachten, der eine pluralistische und unabhängige Berichterstattung sichere. Ist das angesichts der Berichterstattung z.B. in der Corona-Zeit wirklich die Meinung der Grünen oder ist das schon Falschinformation?

Fazit: Keine hinreichende Definition und Differenzierung von Desinformation, Hasskriminalität sowie Hass und Hetze; stärkere Regulierung des freien Meinungsaustauschs in den sozialen Medien; Bejahung eines mutmaßlich verfassungswidrigen und zu Lasten der Meinungsfreiheit wirkenden Demokratiefördergesetzes. Das Meinungsklima in Deutschland wird durch diese Maßnahmen nicht verbessert werden können – im Gegenteil.

FDP: „Alles lässt sich ändern.“

Zutreffend schreibt die FDP schon in der Präambel ihres Wahlprogramms, „dass sich immer mehr Menschen ins Privatleben zurückziehen, statt sich als selbstbewusste Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit ihrer eigenen Meinung an den Debatten um die Zukunft unseres Landes zu beteiligen“.

Folgerichtig greift sie das Thema Meinungsfreiheit unter einem eigenen Unterpunkt „Schutz der Meinungsfreiheit“ auf und betont, dass eine lebendige Demokratie offene und aktive Debatten braucht.

Die FDP sieht ebenfalls, dass Presse- und Meinungsfreiheit von innen und außen zunehmend unter Druck sind und geschützt werden müssen. Denn: „Die Meinungsfreiheit ist eine der tragenden Säulen des demokratischen Gemeinwesens“.

Auch digitale Plattformen hätten zwar eine eigene Verantwortung, wenn es um den Schutz der Meinungsfreiheit geht. Die im Rahmen des Digital Services Act eingeführten Sorgfaltspflichten für Plattformen dürfen gemäß der FDP jedoch nicht dazu führen, dass die Meinungsfreiheit beeinträchtigt wird oder dass Private [hier sind wahrscheinlich insbesondere die Online-Anbieter selbst sowie die Trusted Flagger gemeint] statt staatlicher Gerichte über die Grenzen der Meinungsfreiheit entscheiden.

Die FDP sieht also das Problem für die Meinungsfreiheit, welches mit dem Digital Services Act einhergeht.

Die FDP setzt sich in ihrem Wahlprogramm „für eine demokratische Streitkultur ein, bei der auch in der digitalen Welt Meinungen nicht niedergebrüllt oder gar zensiert, sondern respektiert und gehört werden“.

Fazit: Die FDP spricht an, dass die Meinungsfreiheit hierzulande unter Druck ist und warnt davor, dass es im Rahmen der Anwendung des Digital Services Act zu Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit führt – insbesondere, wenn Private darüber entscheiden sollen, was gesagt und was nicht gesagt werden darf. Das im Wahlprogramm der FDP zur Meinungsfreiheit Gesagte ist positiv zu bewerten.

CDU/CSU: „Politikwechsel für Deutschland“

Das Thema Meinungsfreiheit beschäftigt die Union in ihrem Wahlprogramm nur am Rande. Das Wort Meinungsfreiheit kommt an einer einzigen Stelle vor, und zwar unter dem Unterpunkt „Freiheit der Kirchen und Religionsgemeinschaften schützen.“ Dort heißt es u.a.: „Religionsfreiheit ist und bleibt auch in Zukunft die entscheidende Nagelprobe für freiheitliche Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Gewissensfreiheit sowie alle übrigen universalen Menschenrechte.“

Des Weiteren sieht die Union anscheinend Verbesserungsbedarf beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn sie schreibt: „Es braucht ein Informationsangebot, das nicht überwältigt, belehrt oder bevormundet, nicht tendenziös oder einseitig ist. Wir verpflichten den ÖRR zu seinem Kernauftrag: Sparsamkeit, mehr Meinungsvielfalt und Neutralität.“

Ansonsten muss man schon sehr suchen, um Themen mit Relevanz zur Meinungsfreiheit zu finden.

Das Thema „Hass“ spricht die Union ausschließlich im Rahmen von „Judenhass“, „Israelhass“ und Antisemitismus an. Eine Differenzierung zwischen Hass und Hasskriminalität erfolgt nicht. Wie die SPD möchten CDU/CSU den Straftatbestand der Volksverhetzung verschärfen, so „dass das Leugnen des Existenzrechts künftig strafbar ist. Außerdem führen wir einen besonders schweren Fall der Volksverhetzung ein, der Täter umfasst, die antisemitisch handeln.“ Insofern gilt das oben zum Volksverhetzungsparagraphen Gesagte.

CDU/CSU bezeichnen Soziale Medien „als wichtige Plattformen des Austauschs und der Information. Wir stellen sicher, dass bei der Umsetzung des Digital Services Act der Schwerpunkt auf mehr Transparenz, Kampf gegen Desinformation sowie Jugend- und Medienschutz gelegt wird.“ Was die Union unter „Desinformation“ versteht, bleibt offen. Jedenfalls ist bekannt, dass die Europäische Kommission unter dem Vorsitz der Kommissionpräsidentin und früheren Bundesministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen Desinformationsbegriff verwendet (sog. viergliedriger Desinformationsbegriff), der eine Löschpraxis für soziale Medien vorgibt, welche mit Artikel 5 Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit nicht vereinbar ist.

Fazit: Keine hinreichende Definition und Differenzierung von Desinformation, Hasskriminalität sowie Hass; mutmaßlich Ausweitung des Strafrechts zu Lasten der Meinungsfreiheit. Das Meinungsklima in Deutschland wird durch diese Maßnahmen nicht verbessert werden können – eher im Gegenteil.

AfD: „Zeit für Deutschland“

Die AfD hat in ihrem Wahlprogramm 20 Kernforderungen formuliert. Unter Nr. 5 heißt es „Meinungsfreiheit und Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Wir schützen die Meinungsfreiheit und bekämpfen jede Form der Zensur, besonders durch staatlich erzwungene Abkommen mit Sozialen Medien. (…)“

In dem „Zukunftsplan für Deutschland“, den nach eigener Aussage eine von der AfD geführte Bundesregierung in den ersten hundert Tagen umsetzen würde, heisst es: „Die Meinungsfreiheit verteidigen. Wir kämpfen gegen jegliche Versuche von Politikern und Behörden, die Meinungsfreiheit in Deutschland und der EU einzuschränken.“

Fazit: Die Aussagen der AfD sind sehr kurz und daher recht allgemein gehalten. Eine kritische Haltung zu den tatsächlich existierenden Versuchen von Politikern und Behörden, die Meinungsfreiheit einzuschränken, sowie die Bekämpfung von jeder Form der Zensur ist sicherlich ebenso positiv zu bewerten wie der Umstand, dass das Thema Meinungsfreiheit einen prominenten Platz im Wahlprogramm einnimmt.

Die Linke: „Du verdienst mehr.“

Das Wort „Meinungsfreiheit“ kommt im (Kurz)Wahlprogramm nicht vor. Gemäß dem Wahlprogrammentwurf der Linken verteidigt die Linke Meinungs-, Presse- und Wissenschaftsfreiheit („Ohne diese Freiheiten gibt es keinen demokratischen Diskurs.“, „Keine Demokratie ohne freie Rede!“).

Gleichzeitig befürwortet die Linke ein Demokratiefördergesetz, nach dem ausgewählte Vereine, Organisationen und Initiativen mit einer besseren finanziellen Grundlage ausgestattet werden und langfristige Unterstützung erhalten sollen. Dass das verfassungsrechtlich auch im Sinne der Meinungsfreiheit problematisch ist, wurde bereits ausgeführt.

Meinungs- und Programmvielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk soll „erhalten“ werden.

Kritische Worte zum Digital Services Act findet die Linke nicht. Stattdessen brauche die Bundesnetzagentur „ausreichend Personal, um den Digital Services Act wirksam umzusetzen“.

Die Linke spricht vereinzelt „Hass“ und „Fake News“ an. Eine Differenzierung zwischen Hass und Hasskriminalität erfolgt jedoch nicht. Was unter „Fake News“ verstanden wird, wird ebenfalls nicht erläutert.

Fazit: Keine hinreichende Definition und Differenzierung von Fake News und Hass; mutmaßlich stärkere Regulierung des freien Meinungsaustauschs in den sozialen Medien; Bejahung eines mutmaßlich verfassungswidrigen und zu Lasten der Meinungsfreiheit wirkenden Demokratiefördergesetzes. Das Meinungsklima in Deutschland wird durch diese Maßnahmen nicht verbessert werden können – im Gegenteil.

BSW: „Unser Land verdient mehr.“

Das BSW hat ein eigenes Kapitel mit dem Titel „Meinungsfreiheit stärken“.

Es sieht das Problem, dass zu viele Menschen nicht mehr frei ihre Meinung sagen, und möchte dies ändern. Diesen Wunsch verbindet das BSW mit konkreten Forderungen.

Das BSW fordert die Beendigung aller Formen der Zusammenarbeit von Staat und Medien zur Beeinflussung der freien Meinungsbildung sowie die Beendigung der Finanzierung von Projekten, Programmen und Organisationen, die den öffentlichen Diskurs beeinflussen sollen und für bestimmte politische Meinungen stehen. Ein „sogenanntes Demokratiefördergesetz“ wird abgelehnt.

Das BSW spricht an, dass die Begriffe „Hass und Hetze“ und „Desinformation“ unklar sind und fordert, dass die Grenzen der Meinungsfreiheit nicht durch die Verwendung unklarer und undefinierter Begriffe aufgeweicht werden.

Kritisch gesehen werden auch die zahlreichen staatlich geförderten Meldestellen, bei denen ausdrücklich auch klar von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerungen gemeldet werden können; die Denunziation völlig legaler Meinungen würde also ganz offen vom Staat gefördert. Das BSW fordert die Abschaffung der Finanzierung solcher Meldestellen.

Des Weiteren fordert das BSW die Einhaltung des verfassungsgemäßen Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebotes. Eine Diffamierung Andersmeinender schade der Debatte ebenso wie eine Moralisierung, die von notwendigen inhaltlichen Auseinandersetzungen ablenke.

Dem Digital Services Act steht das BSW kritisch gegenüber. Die Begrifflichkeiten seien teilweise so unbestimmt, dass weder der Bürger noch die Online-Plattformen wissen könnten, was genau im Internet gepostet werden darf und was nicht. Dies könne zur Selbstzensur der Bürger führen sowie zu einer Löschpraxis der Online-Betreiber, die nicht mehr mit unseren Maßstäben der Meinungsfreiheit vereinbar seien.

Das BSW lehnt eine Ausweitung der Strafbarkeit zu Lasten der Meinungsfreiheit ab und fordert eine Abschaffung des Phänomenbereichs »Verfassungsschutz-relevante Delegitimierung des Staates«.

Zudem wird thematisiert, dass Politiker Staatsanwaltschaften damit beschäftigen, ihre Kritiker wegen harmloser Postings in den Sozialen Medien zu verfolgen, und dass dies Kapazitäten abziehen würde, die für Wichtigeres gebraucht werden. Deshalb soll der neue Straftatbestand der Beleidigung von Politikern („im politischen Leben des Volkes stehenden Person“) wieder gestrichen werden.

Bundestagswahl 2025 und Meinungsfreiheit – Gesamtfazit

Von den Parteien, die wahrscheinlich eine Regierungskoalition bilden werden (CDU/CSU mit SPD oder CDU/CSU mit den Grünen) ist in Sachen Meinungsfreiheit nicht zu erwarten, dass sich die Situation tatsächlich bessert – insbesondere nicht in Bezug auf das Meinungsklima. Das dürfte auch nicht verwundern, weil das Meinungsklima in Deutschland seit der Merkel-Regierung abgestürzt und es unter der Ampel-Regierung (insbesondere wegen SPD und Bündnis 90/Die Grünen) nicht besser geworden ist.

Zahlreiche Politiker und Funktionsträger der vergangenen Jahre stehen für die aktive Einschränkung der Meinungsfreiheit. Zu nennen sind insbesondere Angela Merkel (CDU) und der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD; Stichwort: Netzwerkdurchsetzungsgesetz) sowie Nancy Faeser (SPD), Lisa Paus (Grüne) und Thomas Haldenwang (CDU), die ausdrücklich auch gegen legale Meinungen „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ vorgehen wollen. Aktuell sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „In Europa gilt die Rede- und Meinungsfreiheit. (…). Was wir allerdings nicht akzeptieren, ist, wenn dadurch extrem rechte Positionen unterstützt werden.“

Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine Demokratie. Und der Bundeskanzler will sie nur für ausgewählte Meinungen gelten lassen, nicht für alle? Je genauer man hinschaut, desto unfassbarer wird diese Äußerung. Sie widerspricht dem demokratischen Geist der Verfassung völlig.


Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler

Professor für öffentliches Recht an der Universität Oldenburg

In Sonntagsreden beruft sich jeder immer gerne auf die Meinungsfreiheit – wenn es aber darauf ankommt auch legale Meinungen, mit denen man selbst nicht übereinstimmt, auszuhalten, stoßen viele Politiker und viele Parteien schnell an ihre Grenzen. Befremdlich wirkt auch, wenn der Hessische Innenminister, frühere Richter und Herausgeber sowie Autor eines Kommentars zur Hessischen Verfassung, Roman Poseck (CDU) sagt, dass auf den Plattformen der sozialen Medien „sich zum Teil ungefilterte Meinungen“ sammeln würden – als ob nicht gerade das im Sinne der Meinungsfreiheit wäre.

Es wird also die Aufgabe der zukünftigen Oppositionsparteien sein, die zukünftige Regierung kritisch in Sachen Meinungsfreiheit zu hinterfragen, um möglichst sicherzustellen, dass diese in Einklang mit der Meinungsfreiheit im Sinne des Grundgesetzes und somit im Interesse der Bürger handelt.

RA Jan Ristau

Über mich

Ich bin Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Düsseldorf, Autor von Aufsätzen in juristischen Fachzeitschriften, Autor des Buches »Meinungsfreiheit in Gefahr! Wie der Staat die Demokratie aushöhlt" und Betreiber dieser Internetseite.

Folgen Sie mir auf 𝕏!

Über meinen Kanal auf 𝕏 erfahren Sie laufend Neuigkeiten zum Thema Meinungsfreiheit. Ich informiere Sie dort über neue Beiträge auf dieser Internetseite sowie über andere interssante Beiträge.