Grundrecht Meinungsfreiheit

G

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt.


Bundesverfassungsgericht

In Deutschland wurde schon in der Paulskirchenverfassung von 1849 die Meinungsfreiheit erwähnt. Seit 1949 ist die Meinungsfreiheit in Deutschland in Artikel 5 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) geregelt:

»(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre

Die in Artikel 5 Absatz 1 GG genannten Grundrechte werden auch als Kommunikationsgrundrechte bezeichnet. Diese lassen sich in die Meinungs- und Informationsfreiheit einerseits und in die Medienfreiheiten (Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit) andererseits unterteilen.

Die grundsätzliche Bedeutung

Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist nach dem Bundesverfassungsgericht die Meinungsfreiheit schlechthin konstituierend, denn sie »ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist«.

Nach dem Bundesverfassungsgericht muss sich in einem demokratischen Staatswesen die Willensbildung des Volkes frei, offen und unreglementiert vollziehen. »Der permanente Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes mündet ein in den für die Willensbildung im Staat entscheidenden Akt der Parlamentswahl. Willensbildung des Volkes und staatliche Willensbildung sind auf vielfältige Weise miteinander verschränkt. In einer Demokratie muss sich diese Willensbildung aber vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen. (…) Die Staatsorgane werden durch den Prozess der politischen Willensbildung des Volkes, der in die Wahlen einmündet, erst hervorgebracht. Das bedeutet, dass es den Staatsorganen grundsätzlich verwehrt ist, sich in Bezug auf den Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes zu betätigen, dass dieser Prozess also grundsätzlich ‘staatsfrei’ bleiben muss. Einwirkungen der gesetzgebenden Körperschaften und von Regierung und Verwaltung auf diesen Prozess sind nur dann mit dem demokratischen Grundsatz der freien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen vereinbar, wenn sie durch einen besonderen, sie verfassungsrechtlich legitimierenden Grund gerechtfertigt werden können.«

Voraussetzung dafür, dass man sich seine Meinung bilden kann, ist die Freiheit zur Informationsgewinnung. Jeder Bürger muss auch geäußerte Meinungen zur Kenntnis nehmen, sich informieren können.

Was ist überhaupt eine Meinung?

Der Begriff der Meinung ist nach dem Bundesverfassungsgericht »grundsätzlich weit zu verstehen. Sofern eine Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, fällt sie in den Schutzbereich des Grundrechts.«

Dies gilt auch dann, wenn »sich diese Elemente, wie häufig, mit Elementen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbinden oder vermischen«. Insbesondere sind Tatsachenbehauptungen häufig »Voraussetzung der Bildung von Meinungen«. Fast jede Meinungsäußerung enthält eine Mischung aus Tatsachen und wertenden Elementen.

Zunächst muss immer die Meinungsäußerung von der Tatsachenbehauptung abgegrenzt werden. Tatsachenbehauptungen sind entweder wahr oder falsch. Meinungsäußerungen sind weder wahr noch falsch.

Meinungsäußerungen sind grundsätzlich immer von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber auch Tatsachenbehauptungen können von der Meinungsfreiheit geschützt sein. Tatsachenbehauptungen sind nur dann nicht mehr verfassungsrechtlich von der Meinungsfreiheit geschützt, wenn sie nichts zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung beitragen können. Dies ist zum einen bei bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen der Fall und zum anderen bei Äußerungen, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht. Die unrichtige Information ist im Sinne der Meinungsfreiheit des Grundgesetzes kein schützenswertes Gut, weil die unrichtige Information nichts zur verfassungsrechtlich vorausgesetzten Aufgabe zutreffender Meinungsbildung beitragen kann.

Nach dem Bundesverfassungsgericht fallen grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit:

  • Meinungen im eigentlichen Sinne
  • Tatsachenbehauptungen (weil und soweit diese Voraussetzung der Bildung von Meinungen sind);
  • nicht: bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht.

Welche Meinungen sind von der Meinungsfreiheit geschützt?

Vielmehr ist denen entgegenzutreten, die das Recht in Abrede stellen, fragwürdige und offensichtlich abwegige Meinungen zu vertreten. Denn das allein ist im Sinne des Grundgesetzes.


Prof. Dr. Thorsten Koch,

Gastprofessor für Öffentliches Recht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit geht sehr weit. So erfolgt zum Beispiel keine Differenzierung nach der sittlichen Qualität von Meinungen oder ihrer Wirkung auf andere. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational, gefährlich oder harmlos ist.

Grenzen der Meinungsfreiheit

Selbst wenn Äußerungen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen, wird die Meinungsfreiheit jedoch nicht vorbehaltlos gewährleistet.

Nach dem Grundgesetz finden die Kommunikationsgrundrechte, also auch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Ob und inwieweit die Meinungsfreiheit Vorrang vor dem durch das jeweilige allgemeine Gesetz geschützte Rechtsgut hat, kann nur im Einzelfall im Rahmen einer umfassenden Güterabwägung erfolgen. Es besteht der Grundsatz der meinungsfreundlichen Auslegung. Ist die Aussage der Interpretation zugänglich, so ist immer die Interpretation zu wählen, die für den Äußernden am günstigsten ausfällt.

Wenn in Artikel 5 Grundgesetz von Zensur die Rede ist, ist damit nur die Vorzensur gemeint, also eine Vorabkontrolle durch Behörden, welche für die Herstellung oder Verbreitung von Inhalten eine Genehmigung erfordert. Außerhalb des Artikels 5 Grundgesetz wird als Zensur generell die Kontrolle von menschlichen Äußerungen verstanden – also auch die Nachzensur, bei der erst nach der Meinungsäußerung in die Meinungsäußerungsfreiheit eingegriffen wird. In den meisten Fällen, in denen von »Zensur« gesprochen wird, ist diese Art der Zensur gemeint, insbesondere die Kontrolle und Überprüfung auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität.

Der Staat als Meinungsmacher

Der Staat kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes berufen. Der Staat darf aber trotzdem eine eigene Meinung haben und diese natürlich auch verbreiten. Es bestehen allerdings gewisse Grenzen. So darf zum Beispiel Öffentlichkeitsarbeit der Regierung nicht in unzulässige Wahlwerbung umschlagen. Bei der Äußerung von Meinungen hat der Staat insbesondere die staatliche Kompetenzordnung, das Neutralitäts- sowie das Sachlichkeitsgebot zu beachten.


Hinweis: Hervorhebung in Zitaten durch Jan Ristau.

Rechtsanwalt Jan Ristau

Avatar-Foto

Über mich

Ich bin Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Düsseldorf, Autor von Aufsätzen in juristischen Fachzeitschriften, Autor des Buches »Meinungsfreiheit in Gefahr! Wie der Staat die Demokratie aushöhlt" und Betreiber dieser Internetseite.

Folgen Sie mir auf 𝕏!

Über meinen Kanal auf 𝕏 erfahren Sie laufend Neuigkeiten zum Thema Meinungsfreiheit. Ich informiere Sie dort über neue Beiträge auf dieser Internetseite sowie über andere interssante Beiträge.